Die 89er. Lehrjahre einer Deutungselite

Verführt vom Bühnenzauber des Mauerfalls, entzückt von den osteuropäischen Dissidenten und eingelullt vom unaufhaltsam geglaubten Vormarsch ihres liebsten historischen Subjekts namens Zivilgesellschaft haben die 1989er heute längst den historischen Faden verloren. Aber das hindert sie nicht daran, unbeirrt weiter mit heißer Nadel an ihren Geschichten zu stricken. Ihren Einfluss verdanken sie der schieren Zahl an Institutionen, die sie lenken: den zahllosen Berufungskommissionen und Fakultäten, an deren Spitze sie stehen, den Meinungsseiten, Feuilletons, Redaktionen, Konferenzen, Podien, Stiftungen und Talkshows, wo sie bestens vernetzt, wie angewachsen, ihren angestammten Platz nicht räumen. Die Geisteshaltung der 1989er ist weder in sich geschlossen genug, um als Ideologie durchzugehen, noch so diffus, dass man sie als bloße Identität abtun könnte.